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von Hans Paul
Lichtwald
Kunst
und Kultur haben eine Menge mit Epochen und Zeitgeist zu tun. Wir kennen
alle die Kirchenkunst ab dem frühen Mittelalter, die höfische Kultur
mit den Salons für den gesellschaftlichen Diskurs, den Maler als den
Verherrlicher herrschaftlicher Siege, den Meister des Portraits und der
Idylle. Was hat das mit 60 Jahren Arbeitsgemeinschaft Singener Maler zu
tun? Hier ist nach dem Zweiten Weltkrieg tatsächlich etwas aus Ruinen
entstanden: Freie Kunst in einem demokratischen Land. Es war der kurze
Augenblick der Egalité, wie ihn die Französische Revolution
postuliert: Die Künstler kämpften um das Überleben und organisierten
plötzlich ihre Ausstellungen selbst. Wer sonst hätte es tun können?
Das war die einzigartige Chance, sich von allen Fesseln der
Vergangenheit zu befreien.
Die
Kunst und speziell die Malerei hatten im 20. Jahrhundert schnell zu
einer neuen Qualität gefunden: es war der Bruch mit dem
Althergebrachten, dem Verlangten. Durch die „Brücke“-Maler und den
„Blauen Reiter“ erlangte Kunst aus Deutschland schnell Weltgeltung.
Als in den 70er Jahren die große Kunstschau Paris-Berlin 1900 bis 1930
an der Seine stattfand, gab es zwei entscheidende deutsche Vertreter:
Otto Dix und George Grosz. Da stand die Anklage gegen die Grausamkeit
des Krieges und eine verzerrte Gesellschaft. Als hätten es die Künstler
vorausgesehen: die deutsche Katastrophe sollte ja erst noch kommen.
Das
Dritte Reich hat alles gleichgeschaltet, der Kunst die Kreativität
genommen, den Künstlern den Atem. Wer als „entartet“ galt, hatte
letztlich Berufsverbot. Zugleich haben Nazi-Größen solche Bilder
privat gesammelt. Künstler litten unter dem Krieg, waren ausgebombt und
ausgehungert. Nach Jahren des Dunkels zeigten sich die Künstler
nach dem Kriegsende sehr schnell. Es war eine Befreiung für alle. In Überlingen
am See fand 1947 die erste Kunstschau mit Otto Dix und den Spitzenkünstlern,
die im Krieg eine neue Heimat am See gefunden hatten, statt. Singen
hatte ein Eigengewächs mit Curth Georg Becker, der zur rheinischen
Sezesssion gefunden hatte und seine Kollegen immer wieder in der großen
Singener Kunstausstellung präsentierte. Plötzlich war die große Kunst
in Singen und der vermeintlichen Provinz zu Gast. Eine Arbeiterstadt wie
Singen wurde auf Zeit zu einem Kultur-Mekka. Mit dem Tod von Curth Georg
Becker starb auch diese Vision, die Begegnung mit großer Kunst in eine
eigene Tradition in der Region münden zu lassen.
Der
Wechsel der Ausstellungsorte zieht sich durch die 60jährige Geschichte
hindurch. Am Anfang war es wie für die Große Singener Kunstausstellung
die Ekkehardschule. Da die Ausstellung in den Ferien nur möglich war,
war diese nur über Weihnachten möglich. Mit dem Bau des neuen
Rathauses ergaben sich dann neue Perspektiven für die Singener Künstler.
Sie konnten im Advent bereits ihre Kunst zeigen, was sie bisweilen sogar
auf allen drei Stockwerken getan haben, nachdem der eigentlich dafür
geschaffene Ausstellungsraum im dritten Obergeschoß dem Schreibdienst
weichen musste.
1967
gab es durchaus heftige Diskussionen in der Singener Kunstszene: Sollten
Singener Maler, die Weihnachten hier mitmachen, im Sommer bei der Großen
Kunstausstellung nicht ausstellen dürfen? Mit dem Verlesen eines Briefs
des kunstsinnigen damaligen Singener Oberbürgermeisters Theopont Diez
trat dem Friedrich Mengele bei der offiziellen Ausstellungseröffnung
entgegen. Man verstehe sich nicht als Konkurrenz zur städtischen
Ausstellung, hieß es. Die Pointe: Drei Nachwuchskünstler, die vom
Kulturamt empfohlen worden waren, stellten bei den Singener Malern auch
aus.
1969
kommt es zum Bruch zwischen Friedrich Mengele und Curth Georg Becker während
der Großen Singener Kunstausstellung. Zum 70.Geburtstag hatte der
Ausstellungsmacher seinem unliebsamen Konkurrenten von den Singener
Malern neben jedes Bild einen kleinen Lorbeerkranz gehängt. Das erzürnte
Mengele in höchstem Maße und er gründete die Radolfzeller Maler, um
dort seine eigene Sommerausstellung aufzubauen.
Der
Singener Wandel ist 1974 dokumentiert, denn nur noch zwei Künstler
waren aus dem ehemaligen Kreis übrig geblieben. Beatrix Hassert-Waldschütz
trotzte allem Wandel, den Bodo Woll auf den Weg gebracht hatte. Er hatte
aus der Not eine Tugend gemacht und den Thurgauer Künstlerkreis um Hans
Niederhauser eingeladen. Charlotte Kluge-Frilscher gehörte mit ihren düsteren
Seiten des Lebens dazu wie auch Gerd Elsner, der den Rhythmus einer
Stadt ergründete. Bodo Woll assimilierte gleichsam alles, was sich in
einer damals jungen Kunstszene tummelte. Das geschah auch im
Spannungsfeld mit dem damaligen Singener Kunsthäusle, wo Niederhauser
seinen ersten großen Auftritt gehabt hatte. Mit dessen kraftvoller
Landschaftsmalerei punktete Woll. Ernst Feuß war weiterhin mit dabei,
unkonventionell war Helga Rost-Haufe, Ortwin Wachenheim betrat die
Kunstszene. Altmeister waren Karl Puchta und Sigurd Lange, auch ein Mann
der Großen Singener Kunstausstellung, die es jetzt eben nicht mehr gab.
Die Randegger Kette sorgte damals für Furore und auch für Renatus
Heinz ging ein Stern auf.
In
den Jahren darauf wechselten die Künstler stark. Leute wie Horst
Kalbhenn kehrten über Woll nach Singen als Aussteller zurück. André
Ficus beehrte die Weihnachtsausstellung, Ursula Sanner zeigte gemalte
Poesie. Ein Name ist dann ganz wichtig: Boleslav Kvapil. Er sollte als
Mentor dieser Arbeitsgemeinschaft Singener Maler einmal die Lücke
zwischen Bodo Woll und A. Petra Ehinger schließen, die heute nach 60
Jahren auf eine ungebrochene Tradition trotz mancher Höhen und Tiefen
stolz sein kann.
1977
zeigte sich die Weiterentwicklung des Künstlerkreises: Kurt Lauer aus
Kreuzlingen findet den Weg nach Singen. Erika Borkowski ist als
Seiteneinsteigerin ebenso zu nennen wie Irmgard Mathile. Zum festen
Bestandteil gehört auch die Familie Greiner-Perth mit Vater Erich,
Tochter Kerstin und später Sohn Detlef, deren Glasbläserkunst bis
heute überall bestaunt wird. Hier bekam dieser Part das erste große
Podium, was später noch von Bedeutung werden sollte. Barbara Michel-Jägerhuber,
die Überlinger Ikone, wurde zur Dauerausstellerin in Singen. Der
Singener Otto Schmid fand seinen Platz.
1981
kommt ein neues, aber immer wiederkehrendes Schlaglicht in die
Debatte: Kunst oder Hobby? Bodo Woll ist inzwischen über Jahre
alleiniger Ausstellungsorganisator. Er hat damit unglaubliche Verdienste
erworben. Und er sieht die Singener Maler als Forum junger Talente. Die
Rielasinger kamen hinzu mit Werner Fluck und Reinhard Bähn. Roland
Heyder gibt hier seine Visitenkarte ab, Rosemarie Wicker stärkt den
Ausstellerstamm wie Kurt Gallmann oder Hans Leue. Ein Jahr später ist
auch Monika Murzin dabei. Der Aufbruch zu einem neuen Kern deutet sich
an. Hannelore Volk kommt später hinzu.
Anfang
der 80er Jahre bestimmte der Konflikt um das „Kunsthäusle“ und
Galerist Günter Heiß viele Kulturdebatten. Heiß sei gewerblich und
bekomme deshalb keine städtischen Räume für seine
Kunstveranstaltungen, hieß es klipp und klar. Heiß prozessierte
dagegen, letztlich ohne großen Erfolg. Doch die Singener Maler bekamen
die Retourkutsche bei ihrer Weihnachtsausstellung im Rathaus: Am
Sonntagmorgen waren plötzlich die Ausstellungs-Vitrinen von Erich
Greiner-Perth mit blauen städtischen Müllsäcken überzogen. Der
damalige Singener Rechtsrat war überzeugt, die Glasfiguren seien
gewerblich – und das ist im Singener Rathaus eben verboten! Über
Nacht war die Anordnung von der Stadtverwaltung umgesetzt worden. Und am
Montag titelte der „Schwarzwälder Bote“: Der blaue Müllsack hat
wieder zugeschlagen!“ Heiße Kulturdebatten folgten.
1985
ist Frank Renner hier erstmals als junger Künstler bei den Singener
Malern erwähnt ebenso Hubert Blasius. Die Besprechung im „Südkurier“
schrieb damals Harald F. Mülller über die Singener Maler. In der Alten
Sparkasse waren die Singener Künstler inzwischen angekommen, denn hier
im neuen Bürgerzentrum gab es neue Ausstellungsmöglichkeiten. Aber die
Singener Maler tun sich schwer: Die Umspannwerk-Projekte und das
kommende Kunstmuseum bringen die Gruppe in die Defensive. 1993 ist Petra
Ehinger mit dabei. Iti Janz, Heidi Reubelt, Doris Rothacker und Marianne
Wirth sind zum Kern dazugestoßen. Doch es mangelt an Substanz und künstlerischer
Akzeptanz, letztlich am Konzept.
1994
wird alles ganz anders: A. Petra Ehinger entwirft ein neues Signet und
gibt damit ein Signal für den Neuanfang, nachdem sich Bodo Woll aus
gesundheitlichen Gründen zurückgezogen hatte. Sie baute auf dem
vorhandenen Künstlerkreis auf und gab neue Motivation. Felix Sommer
kommt neu dazu. Annette Gönner zeigt Skulturen, Karola Ostermayer ist
bis heute dabei. Michael Kornmayer war so ein Talent, Ingrid Lange und
Michael Zimmermann sind als neue Gesichter zu nennen. Das geht so
weiter: 1998 ist MaRo Siegl erstmals erwähnt. Joachim Böhm wurde zu
einer zentralen Figur.
Die
Singener Maler haben sich in den letzten Jahren gemeinsame Aufgaben
gestellt. 2001 war es die Farbe Blau, die zum Programm wurde. Kvapil war
einmal mehr zur Gruppe dazugestoßen. Und auch Thomas Mayr hat hier
seinen Platz unter einem gemeinsamen Dach gefunden. „Neue Arbeiten auf
Papier“ war das Thema 2002. Und wieder gab es neue Namen: Jacqueline
Fiedler und Martin Burkart. Es folgte das Quadrat als Vorgabe oder die
„Kultur-Landschaft“, über die Museumsleiter Christoph Bauer dann
auch in der Laudatio philosophieren durfte. In „Bewegung“ waren die
Künstler im letzten Jahr. Das dürfte auch das Programm für die
Zukunft sein.
2009
begegnen die Künstler von heute ihren Wegbereitern vor 60 Jahren in der
Jubiläumsausstellung im Singener Bürgersaal. Die Singener Maler setzen
sich heute zusammen aus Joachim Böhm, A. Petra Ehinger, Vera
Floetemeyer-Löbe, Werner Fluck, Boleslav Kvapil, Thomas Mayr, Monika
Murzin, Karola Ostermayer, Susanne Sterk und Nora Löbe. Das ist keine Chronik, die auf Vollständigkeit ausgerichtet ist. Ziel ist es, Entwicklungsachsen der Singener Kunstszene nach 60 Jahren zu dokumentieren. Fazit: Es sind in 60 Jahren viele engagierte Künstler gewesen, die diesen Wert der Selbstorganisation Singener Maler und Bildhauer hoch gehalten haben. Gerade die real erlebte Deutsche Diktatur hat vor 60 Jahren Künstlerinnen und Künstler motiviert, die Freiheit von Kunst und Kultur selbst in die Hand zu nehmen und sie durch ihr eigenes Engagement zu sichern.
Bericht über die folgenden Jahre
(2009-2019)
In
den letzten 10 Jahren haben die Singener Maler ihr Konzept ausgebaut,
nämlich weiterhin sich jedes Jahr ein Thema gestellt und Gäste zur
Ausstellung eingeladen, aber sie haben auch in den vergangenen 2 Jahren
während der Museumsnacht zusätzlich zu ihrer Jahresausstellung im ganzen
Rathaus die Foyers mir Bildern bestückt.
Ein weiteres Novum war die Reihe „vorgestellt“
im Mac Museum. Hier hat Peter Voncken alle Künstler /Innen mit
je einem beleuchteten Bild vorgestellt.
„Unter dem Vulkan“ ,Bilder, Skulpturen und eine
Inszenierung von Feuer, Rauch und Tönen war ein Projekt im Innenhof des
Mac von A.Petra Ehinger, Alexander Weinmann und Axel Reinhard Böhme.
„Carissima“,
eine Skulptur aus Autoteilen, wurde als Dankeschön an das Mac
Stifterehepaar Gabriela und Hermann Maier im nächsten Jahr kreiert. Wir
wissen das großzügige Entgegenkommen von Fam. Maier sehr zu schätzen, da
sie den Singener Malern immer wieder eine Heimat bieten. Die Galerie im
Mac1 wurde zum ersten mal
2 Künstlern/Innen der Singener Maler für
eine Einzelausstellung zur Verfügung gestellt, nämlich für Daly Taffet und
für A.Petra Ehinger und sogar im monumentalen Rohbau des MAC 2 ermöglichte
man Susanne Sterk ihre grossfrormatigen Bilder zu präsentieren. Ein besonderes Ereignis war 2010 die künstlerische
Interpretation der Markuspassion in der Stadthalle Singen, aufgeführt vom
Madrigalchor Singen und begleitet von Bildern aller Singener Maler. Dies
war ein sehr eindrückliches Ereignis für alle Beteiligten. Joachim Böhm
hat hier den Kontakt zum Madrigalchor hergestellt und uns begleitet.
Werner Fluck und Boleslav Kvapil waren noch dabei. 2011 wurden die
Passionsbilder in der Peter und Paul Kirche gezeigt. Das Thema „Wege“ haben sich die Singener Maler 2013
für einen Kalender ausgesucht, der dem Hospizverein Singen gewidmet war. In diesem Jubiläumsjahr haben wir die Organisation
der Ausstellung auf mehrere Teams verteilt. Das Team „Stadtgarten“ hat
sich für eine Freiluftgalerie mit 24 großformatigen Bildern schwer ins
Zeug gelegt und zusätzlich befreundete Künstler aus der näheren und
weiteren Umgebung dazu eingeladen. Immer bestens unterstützt vom
städtischen Bauhof und erfreulicherweise hat die Stadt Singen das ganze
Projekt finanziell getragen zusammen mit A3 und der Sparkasse Singen.
Team: Vera Floetemeyer Löbe, Nora Löbe, Alexander Weinmann.
Auch das Team Chronik, das die Geschichte der
Singener Maler aus 70 Jahren durchleuchtet hat, wird mit finanzieller
Unterstützung der Stadt einen Auszug aus den Recherchen von Bildern,
Texten, Zitaten und Zeitungsartikeln in einer Broschüre veröffentlichen.
Monika
Murzin ist zu verdanken, dass in der
Vergangenheit
alles dokumentiert wurde. Team: Dalya
Taffet, Monika Murzin, Thomas Mayr, A.Petra Ehinger, Karola Ostermayer.
Das Team Video hat hunderte von Bildern
zusammengetragen. Für die Vernissage haben sich die Singener Maler
vorgenommen mit hunderten von
Bildern aus den letzten 25 Jahren mit
professioneller Unterstützung der Fa. Kasper Werbung, ein Video zu
erstellen, das musikalisch von Siegfried Zielke
auf dem Piano begleitet wird. Wie könnte
das Thema anders sein als: „Bilder einer Ausstellung“ von Modest
Mussorgsky. Team:
Joachim Böhm, A.Petra Ehinger, Siegfried
Zielke, Fa. Kasper Werbung Zum ersten Mal haben sich alle SiMa an der
Organisation beteiligt. Ein echtes Team ist entstanden, was für die
Zukunft hoffen lässt! |